Julius Federer (1911 - 1984)

von Dr. Detlev Fischer

Der in Konstanz geborene Julius Federer hat in München, Freiburg und Heidelberg Rechtswissenschaften studiert und im Oktober 1932 in Karlsruhe das Referendarexamen abgelegt. Sein sich zwischen Freiburg und Karlsruhe zugetragenes Juristenleben vermittelt geradezu exemplarisch den Übergang von der Bedeutung Karlsruhes als Landeshauptstadt zur Residenz des Rechts.

Während des Vorbereitungsdienstes kam Federer quer durchs badische Land, überwiegend war er aber in Karlsruhe tätig. Neben den Amtsgerichten in Durlach und der Landeshauptstadt wurde er auch dem dortigen Landgericht und Oberlandesgericht zugewiesen. Seine Anwaltsstation verbrachte er bei Erwin Umhauer, der letzte demokratische Innenminister Badens, der im März 1933 von den Nationalsozialisten aus dem Amt verdrängt wurde und sich in Karlsruhe eine neue Existenz als Anwalt aufbauen musste. Nach den damaligen badischen Ausbildungsvorschriften konnten erfahrene Referendare mit der Dienstausübung eines vakanten Richterdezernates betraut werden. 1935 wurde Referendar Federer auf diesem Weg als Dienstverweser dem Amtsgericht Durlach zugewiesen. Hier traf er auf Amtsgerichtsdirektor Gerhard Caemmerer, der, wie Federer in einer nach dem Krieg abgegebenen Erklärung festhielt, eine regimefeindliche Haltung einnahm. Nach näherer Bekanntschaft und Zusammenarbeit verkehrte Federer auch im Hause Caemmerer und nahm an dem dort stattfindenden widerständigen Gesprächskreis teil. Hierzu gehörte auch der von den Nationalsozialisten wegen seiner jüdischen Herkunft aus dem Dienst entlassene Amtsgerichtsrat Karl Eisemann. Im Frühjahr 1938 schied Federer aus dem Justizdienst aus und übernahm im Erzbischöflichen Oberstiftungsrat in Freiburg, der kirchlichen Vermögensverwaltung, eine Stelle als Finanzrat. Dieser von Federer vollzogene Wechsel kann als „Innere Emigration“ verstanden werden.

Nach Kriegsdienst und Gefangenschaft konnte er bereits im November 1945 die Tätigkeit im Oberstiftungsrat wieder aufnehmen. Im Herbst 1947 kehrte er in den Justizdienst zurück. Bereits ein Jahr zuvor hatte er – im Nebenamt – die Stelle eines Richters am Badischen Verwaltungsgerichtshof in Freiburg übernommen. Neben seiner richterlichen Tätigkeit blieb Federer auch der Rechtswissenschaftlichen Fakultät verbunden. In dem von Karl Siegfried Bader begründeten Seminar für Rechts- und Verfassungsgeschichte, dem sogenannten Badischen Seminar, arbeitete er von Anfang an mit. Federers 1947 fertig gestellte Dissertation „Beiträge zur Geschichte des Badischen Landrechts“ ist aus diesem Seminar hervorgegangen. Die Schrift wies den Einfluss des badischen Landrechts auf die gesamtdeutsche Rechtsentwicklung nach und zeigte eindrucksvoll auf, wie unter der Geltung des badischen Landrechts in Baden eine eigenständige Wissenschaft des französischen Zivilrechts entstehen konnte, die mit der französischen Rechtswissenschaft „gebend und nehmend“ verbunden war.

In Freiburg machte Federer in atemberaubender Geschwindigkeit Karriere. Noch 1947 erfolgte seine Ernennung zum Landgerichtsrat, zwei Jahre später amtierte er als Oberlandesgerichtsrat. Im April 1948 wurde ihm zudem das Amt eines Richters am Badischen Staatsgerichtshof übertragen. 1950 folgte noch ein weiteres Nebenamt als Richter am Obergericht für Rückerstattungssachen in Rastatt. Im September 1951 nahm er im Prinz-Max-Palais in Karlsruhe seine Tätigkeit als Richter des Bundesverfassungsgerichts auf und verlegte seinen Wohnsitz in die neue Residenz des Rechts. Mit gerade 40 Jahren hatte er das gesetzlich vorgeschriebene Mindestalter für Bundesverfassungsrichter knapp überschritten und war doch das einzige Mitglied des neugeschaffenen Verfassungsorgans der über eine eigene Erfahrung als Verfassungsrichter verfügte.

Ein Jahr zuvor war Federer bereits geistig nach Karlsruhe zurückgekehrt. Zur Eröffnung des Bundesgerichtshofes, die am 8. Oktober 1950 unter Mitwirkung von Bundespräsident Theodor Heuß im Karlsruher Erbgroßherzoglichen Palais feierlich begangen wurde, erschien eine Festschrift, an der sich auch Federer beteiligte. Sein auch heute noch lesenswerter Beitrag, der sich mit der Rechtsentwicklung in Baden befasste, endet mit einem längeren Zitat aus der Rechtfertigungsschrift Johann Georg Schlossers. Federer hat hierzu treffend bemerkt, Schlossers Worte sollen als Gruß und guter Wunsch für den Bundesgerichtshof stehen, den Baden mit herzlicher Freude in seiner alten Landeshauptstadt aufnehme.

Sechzehn Jahre lang war Julius Federer Mitglied des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts. Die Richter dieses Senates mussten bereits einen Tag nach der Aushändigung der Ernennungsurkunde ihre erste Entscheidung treffen. Es handelte sich um eine einstweilige Anordnung in dem „Verfassungsstreit betreffend das Zweite Gesetz über die Neugliederung in den Ländern Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern vom 4. Mai 1951“. Dieser Rechtsstreit war von der südbadischen Staatsregierung in Freiburg angestrengt worden. Dass Federer mit der Hauptsache-Entscheidung in dem Verfassungsstreit um den Südweststaat, die am 18. Oktober 1951 erging und mit der die umstrittenen Abstimmungsmodalitäten bestätigt wurden, nicht einverstanden war, ist zu vermuten. Offiziell ist dies aber nicht bekannt, weil den Bundesverfassungsrichtern in der Anfangszeit die Veröffentlichung abweichender Meinungen noch nicht gestattet war. Federer war bereits 1950 und später mehrfach dafür eingetreten, ein Minderheitenvotum zuzulassen. Im Jahre 1959 wurde er auf weitere acht Jahre gewählt. 1967 verzichtete er auf eine Wiederwahl.

Als passionierter Rechtshistoriker war Federer auch ein Sammler rechtsgeschichtlicher Werke. Seine Bibliothek umfasste ganz erlesene Exemplare, insbesondere auch Handschriften und Wiegendrucke. Eines seiner ersten Stücke war, erworben mit dem so genannten Kopfgeld der Währungsreform von 1948, ein Original der „Nüwen Stattrechte zu Fryburg im Prissgow“, im Wesentlichen ein Werk von Ulrich Zasius. Anläßlich des 45. Deutschen Juristentages in Karlsruhe konzipierte Julius Federer im September 1964 eine Ausstellung über „Rechtsdenkmäler am Oberrhein“. Aus der eigenen Sammlung sowie von anderen Leihgebern wurden wertvolle Handschriften der Volksrechte, des römischen, kanonischen und mittelalterlichen deutschen Rechts sowie rechtswissenschaftliche Druckschriften aus dem 15. bis 19. Jahrhunderts gezeigt. Das Freiburger Stadtrecht von 1520 mit Druckstöcken der Holbein-Holzschnitte durfte hierbei nicht fehlen. In diesem aussagekräftigen Panorama spiegelte sich die tausendjährige Rechtsentwicklung am Oberrhein wider. Bereits 1961 hielt er in Freiburg einen Vortrag über Miniaturen aus alten Rechtshandbüchern. Gegen Ende seines Lebens hat Federer tatkräftig am Aufbau des Rechtshistorischen Museum in Karlsruhe mitgewirkt. Am 20. Januar 1984 ist er in Karlsruhe verstorben.